Technik: Laserstrahlbearbeitung in Restaurierung und Denkmalpflege




der alten Patrizierhäuser weitere, längst in Vergessenheit geratene Zeitschichten auf-zudecken. Das "Biblische Haus" auf der Neißstrasse reiht sich in die Reihe der diesbezüglich äußerst tiefgründig unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten unter-suchten Gebäude der Stadt ein. Die zeichnerische und fotografische Bestands-aufnahme wurde durch eine restauratorische Rasteruntersuchung an ausgewählten Innen-raumoberflächen ergänzt und informell angereichert. Die hier eingeflossenen Infor-mationen sollten die Qualität und Quantität der vorhandenen Architekturoberflächen analysie-ren, bewerten und einordnen. Die im Untersuchungsbericht der Restauratoren und Bauforscher formulierten Ergebnisse und Schlussfolgerungen ermöglichten die präzise Beschreibung der schließlich auszuführenden Maßnahmen und Leistungen. Sie halfen, die zukünftige Nutzung der Räumlichkeiten mit der jeweils unterschiedlichen Dichte und Wertigkeit der Befunde in den einzelnen Räumen in Einklang zu bringen.

Der Saal und seine Decke

Die Notwendigkeit zur Untersuchung und Behebung massiver Bauschäden an der Holz-decke des großen Saales im 1. Ober-geschosses war der Grund für den umfänglichen Rückbau aller jüngeren Saaleinbauten, u.a. auch der hölzernen Deckenschalung mit Deckenputz. Verborgen unter den Schalhölzern und Putzschichten dieser Einbauten und Raumabtrennungen, die man seit dem 18. Jahrhundert eingebracht hatte, waren die bemalten Holzdeckenfelder und Tragbalken im Renaissancesaal - der ursprünglich größten Raumkubatur des Hauses. Deckenkonstruktion und Farbgebung entstanden während des großen Umbaues 1570-72 im Auftrag des damaligen Hauseigentümers, des Kaufmanns Hans Heintze 2.

Saalansicht mit verschwärzter Holzbalkendecke nach dem Rückbau der Saaltrennwände und Deckenverschalungen vor der Laserbearbeitung 2004; Ein großer Teil der renaissancezeitlichen Deckenbemalung war durch den schwarz-braun verfärbten Kasein-Überzug nicht mehr sichtbar und konnte so zu Beginn auch nicht sofort erkannt werden.

Überraschung und Komplikationen

Die nach den Rückbaumaßnahmen erstmals wieder vollständig freiliegende Deckenfläche zeigte ein sehr heterogenes Bild. Der überwiegende Teil der Deckenfläche wirkte auf den Betrachter optisch einfarbig schwarz-braun. Schmutz und Spinnweben verstärkten den eher ernüchternden Anblick. Ein weiterer Decken-bereich trug keinerlei Farbschichten mehr.

Abb. 4

Erst bei genauer Betrachtung aus unmittelbarer Nähe und unter guter Beleuchtung ließen sich die vagen Konturen einer Deckenbemalung erkennen.

Genauere restauratorische Untersuchungen ließen jedoch bald die Stimmung umschlagen. Wundervolle florale Dekore zeigten sich bei intensiver Beleuchtung in kleinen mit dem Skalpell angelegten Sondierungsfenstern. Einmal sensibilisiert erkannten die Restau-ratoren nun überall unter der schwarz-braunen Deckschicht die Konturen phantasievoll vorgetragener Rankenmalerei in Ocker, Braun und Rot auf hellem Grund.


Kunsttechnologische Beobachtungen zur farbigen Bemalung

Materialproben zum Farbsystem der Bemalung wurden von den Restauratoren sowie durch ein Labor für naturwissen-schaftliche Kunstgutuntersuchungen 3 analy-siert. Demnach gestaltet sich der Malschichtaufbau wie folgt:

Balken und Deckenbretter

  1. Malschichtträger: Nadelholz
  2. weiße Grundierung, Kreide (CaCO3)
  3. dünne Grundierung für Malerei in Weiß mit gelber Abmischung (Auripigment, Arsensulfid, As2S3), polychrome Ornamentik in Ausmischung von Oxidrot (Eisenoxid Fe2O3), Ocker (Eisenoxid Fe2O3), Schwarz (Knochenschwarz, C), Gebunden waren die Farben der Erstbemalung mit tierischem Glutinleim.
  4. bernsteinfarbene Schellack-Schicht
  5. stark mit Kaseinleim gebundener schwarz-brauner Überzug

Der Schichtenaufbau wurde mikroskopisch bestimmt, um Klarheit zur Abfolge und Zugehörigkeit der einzelnen Farbschichten zu Gestaltungssystemen zu bekommen; Gut zu erkennen sind die leuchtend gelben Pigmenteinmischungen in die weiße Grundfarbe der Malerei (Schicht 2); Hier kam anstelle des sonst üblichen und preiswerten Ockerpigmentes das arsenhaltige und auch viel teurere Auripigment zum Einsatz; Es bewirkt als Pigmentzusatz bereits in geringen Mengen eine leuchtend gelbe Farbigkeit.

Die Schellackschicht liegt direkt auf renaissancezeitlichen Dekorationsmalerei und wurde vermutlich zu einem Zeitpunkt aufgebracht, als die relativ empfindliche Leimfarbenmalerei erste Schäden aufwies. Der Schellack könnte so als frühes Konservierungsmittel verstanden werden. Er festigte die Deckenmalerei und verlieh ihr den bernsteinfarbenen Schein sowie den Oberflächenglanz, den die Deckenmalerei heute noch aufweist.
Die Entfernung des Kasein-Überzuges bei der Beprobung mit dem Skalpell erwies sich als sehr zeitaufwändig und führte zu zahlreichen Malschichtverletzungen. Chemische Löseversuche waren nur sehr eingeschränkt aussichtsreich. Eiweißbrechende Enzyme kamen wohl in Frage und auch zum Einsatz, hatten jedoch wegen des Wasseranteiles auf die Original-Malschicht “quellende Nebenwirkungen” und disqualifizierten sich so selbst.
Warum aber Freilegen um jeden Preis, wenn sich ein solcher Prozeß derartig aufwändig und schädigend erweist ? Denkbar und denkmalpflegerische legitim wäre auch gewesen, den Kasein-Überzug zu belassen und den Saal mit verschwärzter Decke zu nutzen - sicherlich mit der Einschränkung, auf den Genuß offenliegender, sichtbarer Renaissancedekoration verzichten zu müssen.
Die fortschreitenden Untersuchungen verdichteten jedoch einen zunächst nur anfänglichen Verdacht: Die spannungsreiche Kaseinschicht begann - erst an einigen, dann an zahlreichen Stellen deutlich sichtbar - die originale Farbfassung förmlich “abzupellen”, indem sie sich - verstärkt bei Lufterwärmung und Raumlufttrocknung - förmlich nach oben hin aufrollte und die anhaftende weiche Malschicht der Renaissancezeit vom Grund abriss.

Die Oberfläche der Decke mit ihrer Bemalung stellte sich an zahlreichen Stellen derartig dramatisch dar: aufstehende Farbschollen sind die Folge des sehr spannungsreich trocknenden Kaseinüberzuges; Feuchte- und Temperaturwechsel im Raum bewirken diese Bewegungen und verursachen so einen permanenten Stress auf die Farbschicht, der im Verlust endet.



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